Am 12. Januar wählt der Grosse Rat ein neues Präsidium. Die Ehre, das Ratsgeschehen zu leiten ist begehrt; die Reihenfolge wird deshalb genau nach Fraktionen festgelegt. Für 2022 nominiert das Grün-Alternative Bündnis Jo Vergeat – die elfte Frau, seit mit Gertrud Spiess 1975 erstmals eine Frau auf dem Hochsitz Platz nahm. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war es nicht unüblich, dass die gleiche Person das hohe Amt zwei- und sogar dreimal ausübte.
Bis 1847 leitet jeweils noch einer der beiden Bürgermeister den Grossen Rat. Ab dann wählt der Grosse Rat das Präsidium jeweils für ein Jahr aus den eigenen Reihen. In den ersten Jahrzehnten werden mehrere verdiente Politiker zwei Mal Grossratspräsident.
Hagenbach-Bischoff: Frühester Verfechter der Proporzwahl
Eduard Hagenbach-Bischoff, schafft es sogar drei Mal auf den Präsidentenstuhl: 1873, 1875 und 1885. Etwas relativiert wird diese Anhäufung von Ehre durch die Tatsache, dass Hagenbach-Bischoff 43 (!) Jahre Einsitz im Grossen Rat hatte. Dies von 1867 bis 1910, der Grosse Rat kannte noch keine Amtszeitbeschränkung. Der Professor für Mathematik und Physik hat sich als Erfinder des Hagenbach-Bischoff-Systems, einem Proporzwahlverfahren, verewigt. In Basel-Stadt kämpfte niemand früher und vehementer für die Proporzwahl als er. Mit ihrer Einführung 1905 kamen endlich auch die Arbeiterschaft und die Katholiken zu einer gerechteren Vertretung im Grossen Rat.
Auch zwei weitere Grossräte, Robert Stünzi (1888, 1892 und 1898) und Paul Scherrer (1894, 1896 und 1906), kamen drei Mal zur Präsidiumsehre.
Heute gilt Geschlechterquote für das Grossratspräsidium
War die Besetzung des Präsidentenstuhls bis 1975 eine männliche Angelegenheit, so hält die Geschäftsordnung (§ 16, Abs. 3) unterdessen fest, dass die Vertretung von Frauen und Männern bei der Wahl in das Präsidium angemessen zu berücksichtigen ist. Frauen und Männer müssen in jeder Amtsperiode mit mindestens einer Grossratspräsidentin oder einem Grossratspräsidenten vertreten sein.
Hier geht's zur Auflistung aller Grossratspräsidien seit 1875
Rudolf Hagenbach-Bischoff und Gertrud Spiess
Text: Eva Gschwind. Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz
Bildnachweise: Hagenbach/Wikipedia; Spiess/Staatsarchiv BS
